Anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes zur Grundsicherung (Bildungpaket für Kinder in AlG2 Familien) am 3.12.2010 im Bundestag, veranstaltete die Heinrich-Böll-Stiftung eine Podiumsdiskussion in Berlin, mit dem Titel: „Bildungsgutscheine für arme Kinder?“ um über Vor- und Nachteile dieses neuen Gesetzes zu diskutieren.

Hier ein paar Gesprächsnotizen:

Prof. Dr. Hans Bertram (positive Wertung der Bildungsgutscheine)
Die Bildungsgutscheine sind aus seiner Sicht positiv zu sehen, da sie das erstemal einen individuellen Rechtsanspruch auf ökonomische Existenzsicherung und Teilhabe an Bildung des Kindes darstellen bzw. dessen konkrete Umsetzung.
Er sieht jedoch den Verwaltungsapparat kritisch, denn seiner Meinung nach wäre hier eine Nicht- Institutielle Lösung nach finnischem Vorbild, Stichwort Netzwerkaufbau, besser. Die Netzwerke würden sich aber im Zuge der Ausgabe von Bildungsgutscheinen selbst bilden, da nur so ein Versorgung, auch begründet durch den geringen Betrag von monatlich 10 €, finanziert werden könne.

Prof.Dr. Johana Mierendorff (negative Wertung der Bildungsgutscheine)

Sie sieht hier die Gefahr, das eine separate Ausgabe der Bildungsgutscheine, los gelöst vom AlG2 langfristig eine nachteilige Wirkung auf die Versorgung der Kinder haben wird, da sich diese nun ebenfalls im Konfliktfeld Lohnabstandsgebot befinden und es gut möglich sei, die Regelsätze immer mehr gesenkt werden würden. Sie führt weiter aus, das ihrer Meinung nach die theoretischen Grundlagen für die Berechnungen fehlen und hier als Berechnungsgrundlage Empfänger von AlG2 Leistungen heran gezogen worden seien und man an diesem wohl schwerlich die Basis einer Teilhabe an Bildung berechnen könnte. Denn AlG2 Empfänger würden generell weniger für Musik- und Sportunterricht ausgeben, alleine schon aufgrund der fehlenden Mittel, im Gegensatz zur Mittelschicht oder dem Bildungsbürgertum. Daher bezeichnet sie die Bildungsgutscheine als Minibildungspäckchen, in dem alltägliche Aufwendungen für Sport und Schule kaum berücksichtigt wird, somit seien die Kinder multipel depriviert. Es seien des Weiteren verschiedenste Aspekte nicht mit in die Berechnung eingeflossen, wie zum Beispiel die meist fehlende Mobilität von AlG2 Empfängern und auch Aspekte in der Umsetzung, unter anderem wer, wann, wo die Bildungsgutscheine wie einlöst etwa. Daher ist Sie der Meinung, das Geld sollte besser an die Schulen verteilt werden und es sollte von dort aus gefördert werden und nicht über Gutscheine in die Schulen hinein.

Fr. Jutta Roitsch – Journalistin (negative Wertung der Bildungsgutscheine)

Sie sieht die Bildungsgutscheine ebenfalls in einem sehr negativen Licht, denn hier würden die Teilhabegrundrechte der Kinder verletzt, diese seien jedoch durch das Grundgesetz gedeckt. Das wirft die Frage auf, ob die Bildungsgutscheine letztlich sogar verfassungswidrig sind, aber ohnehin seien „Bezugsscheine“ in einem negativen Licht zu sehen. Die ARGE sei hier auch überhaupt nicht kompetent, führt Sie hier weiter aus, die richtigen Ansprechpartner wären hier unter anderen Jugendhilfeeinrichtungen gewesen. Insbesondere stört Sie der Aspekt, das hier eine Parallelstruktur zu der Länderhoheit im Bezug auf die Bildungspolitik geschaffen werden, somit würde die ARGE direkt „durch regieren“. Sie bringt auch noch ein Beispiel in die Diskussion ein, an der Sie erklärt warum Sie diesen Ansatz mit den Gutscheinen für verfehlt hält. So würde zum Beispiel ein Bildungsgutschein für die Nachhilfe nur gewährt werden, wenn dadurch sicher gestellt werden würde, dass das Kind dann auch das Klassenziel erreicht. Er würde nicht gewährt werden, wenn es ohnehin schlechte Chancen auf das Erreichen des Klassenziels hätte oder zur Verbesserung der Noten um zum Beispiel auf das Gymnasium zu wechseln. Ein weiterer Fehlgriff ist nach ihrer Meinung, die warme Mahlzeit die Fr. Merkel immer wieder propagiert. Denn das Essen würde nur gewährt werden, wenn gemeinschaftlich gegessen würde, also Bistros oder Bäcker die warme Mahlzeiten anbieten würden, seien nicht zulässig, ebenso dürften hierbei auch keine 1 € Jobber eingesetzt werden. Laut Umfragen würden im Augenblick merheitlich auch nur bei G8 Gymnasien ein „gemeinschaftliches Essen“ statt finden, somit sei diese Politik verfehlt, denn sie würde das falsche Klientel ansprechen. Ein weiterer Punkt der Sie massiv stört ist der Generalverdacht, unter den die Politik die Elter stellt, mit der Behauptung man könne den Eltern das Geld nicht anvertrauen, da diese es nur zweckentfremden würden. Dies sei durch keinerlei Studien belegt und würde jeglicher sachlicher Grundlage entbehren.
In der Podiumsdiskussion wird weiter klar, dass sich selbst die ARGE nicht als kompetent in dieser Sache einschätzt und daher neues Personal angefordert hat. Die Verwaltungskosten bemessen an der Gesamtsumme der Bildungsgutscheine, sollen hierbei ca. 20 % betragen.

[Update]  7.05.2011

Ich habe mir ja damals als ich diesen Artikel verfasst habe, nahezu jede Eigenmeinung verkniffen, da ich der Meinung war, die Fakten und Standpunkte der Podiumsdiskussionsteilnehmer würden ja ohnehin aufzeigen, das Fr. von der Leyen hier ihren nächsten Griff ins Klo produziert.

Schön, dass dies nach einen halben Jahr dann auch so Eindrucksvoll demonstriert wurde bzw. eigentlich schade. Wie der Stern unlängst schrieb, haben lediglich 2% alles beziehungsberechtigten Hartz 4 Empfänger Anträge gestellt um Leistungen wahrzunehmen, also alle Befürchtungen erfüllt „Projekt Bildungsgutscheine“ gescheitert. Als wäre das nun nicht schon schlimm genug, hat nun Fr. von der Leyen verlautbart:

„Die Verwaltung hat eine Bringschuld, aber die Eltern haben auch eine Holschuld“.

Aha – sehr schön, das soll wohl heißen:

 „Wenn die Hartz-4 Eltern zu blöd sind, die Leistungen die ihnen bzw. ihren Kindern zustehen, einzuforden, dann kann ich da auch nichts machen.“

Danke Fr. von der Leyen für die Aufklärung des Sachverhaltes!

Das Kindergärten und Schulen nicht die Einrichtungen haben um eine warme Mahlzeit, Sport- oder Musikprogramm am Nachmittag anzubieten oder dass die Antragsformulare und Antragsabläufe einnfach überbürokratisiert sind, kann natürlich nicht sein.

Langsam kommt es mir so vor, als wären in der CDU wirklich nur noch der Sud der Inkompetz und Bürgerferne anzutreffen.

Artikel im Stern

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